Meditation und Achtsamkeit gehören vom Thema und Sprachgebrauch zusammen wie ein paar Schuhe, dabei sind diese beiden Übungen sehr verschieden. Für ein effektives Training ist es wichtig den Unterschied zu kennen, um beide Teile angemessen nutzen zu können.
Was ist was?
Die Grundlagen der Meditation habe ich in meiner letzten Folge schon erklärt, also nur noch mal schnell eine Zusammenfassung: Meditation ist eine Übung zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und Charakterentwicklung.
Was ist nun der Unterschied zu Achtsamkeit?
Die Definition von Achtsamkeit ist folgende: Die wertfreie Beobachtung des aktuellen Augenblicks.
Das scheint im ersten Moment eine etwas erweiterte Definition von Konzentration zu sein, ist es aber nicht. Es ist nicht so leicht diese Sachverhalte mit den richtigen Wörtern darzustellen, weil unsere Sprache so flexibel ist. Achtsamkeit ist mehr eine Form der Aufmerksamkeit, als der Konzentration.
Damit wir uns Konzentrieren können, müssen wir Energie aufwenden. Das ist anstrengend für unser Gehirn und wir können uns nicht ewig konzentrieren, ohne eine Pause zu machen (meditative Versenkung ausgeschlossen!!!). Wir können allerdings die besondere Form der Aufmerksamkeit, die Achtsamkeit genannt wird zu unserem Grundzustand machen und 24 Stunden jeden Tages beibehalten. Achtsamkeit ist nämlich in dieser Hinsicht genau das Gegenteil von Konzentration. Während wir beim Konzentrieren unseren geistigen Fokus bündeln um gewisse Vorgänge zu analysieren, ist es bei der Achtsamkeit so, dass wir unseren Geist entspannen und im Fluss des Lebens treiben lassen. Ohne Bewertung und ohne sich irgendwo festhalten zu wollen, einfach nur erleben und erfassen was in uns und um uns herum passiert.
Das Zusammenspiel
Wenn Meditation, durch die nötige Konzentration, eine gegenteilige Disziplin zur Achtsamkeit ist, warum sind sie dann trotzdem so eng miteinander verflochten?
Das liegt an dem Gesamtkonzept, das sich z.B der Buddhismus zu nutzen macht. Bei diesem geht es ja darum so glücklich wie möglich zu werden. Den Weg um dieses Ziel zu erreichen hat Buddha den mittleren Weg genannt. Das hat einen guten Grund. Den mittleren Weg könnten wir im Sinne dieses Beitrags auch den achtsamen Weg nennen. Die „wertfreie“ Beobachtung steht dabei im Mittelpunkt. Frei von Bewertungen wie gut oder schlecht, schön oder hässlich, angenehm oder unangenehm bewegt sich die buddhistische Lehre in der Mitte zwischen allen extremen.
Damit wir diesen Weg erreichen können, braucht es allerdings sowohl die Meditation, als auch die Achtsamkeit.
Die Mediation stärkt unsere Konzentrationsfähigkeit und bildet den Charakter. Wie bereits in einem anderen Beitrag beschrieben, können wir z.B. gezielt unser Mitgefühl schulen. Damit wird der Wunsch stark, sowohl das Leiden anderer, als auch das eigene zu beenden. Das ist eine edle Eigenschaft und macht uns zu angenehmen Mitmenschen. Hier ist aber das Problem: Wir können uns durchaus den Wunsch anmeditieren, auch unseren Feinden ein glückliches Leben zu wünschen und sie von ihren Sorgen befreien zu wollen und sie trotzdem noch als Halbaffen sehen, denen auch eine Schelle nicht schaden würde.
Noch weniger daran ändern lediglich konzentrationsfördernden Meditationen wie zum Beispiel die Meditation mit Wasser oder Feuer. Mit diesen ändert sich an unserem Gemüt praktisch gar nichts.
Mehr als die Summe der Teile
Jetzt kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Diese Ergänzt unsere Praxis, durch eine neutrale Basis, auf der nur noch die, durch die Meditation, gewollten, heilsamen Eigenschaften Fuß fassen können. Mitgefühl, Mitfreude, Bescheidenheit, Wohlwollen, usw. sind wunderbare Eigenschaften. Sie helfen uns allerdings nur bedingt dabei persönlich glücklich zu werden, wenn wir uns nicht unserer unterschwelligen Bewertungen entledigen.
Ansonsten könnten wir uns mit einem traurigen Clown vergleichen. Wir bringen zwar ein lächeln auf die Gesichter unserer Mitmenschen, aber irgendwie keines auf unser eigenes.
Die Achtsamkeit hat allerdings in Kombination mit der Meditation noch einen weiteren Vorteil. Selbst die Konzentration erlebt eine neue Instanz, die ohne die Achtsamkeit nicht erreicht werden kann. Wenn wir uns von allen Bewertungen befreit haben und mit unverzerrten Blick die Welt um uns herum beobachten können, dann können wir die Meditation als Werkzeug der Wahrheitsergründung nutzen. Die Konzentration während der Meditation, und wenn wir genug geübt haben auch im meditativen Alltag, kann uns zusammen mit der achtsamen Grundhaltung die Welt offenbaren, wie sie wirklich ist.
Es gibt kein schönes Kleid und hässliches Kleid. Es gibt keine angenehme und unangenehme Temperatur beim Duschen. Es gibt kein nerviges und liebes Kind.
Das sind alles Bewertungen, mit den wir unsere persönliche Sicht auf die Welt verzerren und aus der Realität eine Lüge machen, die uns immer auf die eine oder andere Weise unglücklich macht.
Die Kombination aus Meditation und Achtsamkeit hilft uns dabei aus diesem System auszubrechen.
Die Ausnahme
Nun gibt es kaum eine Regel ohne Ausnahme. Auch hier ist das wieder so. Es gibt eine Meditation, die gleichzeitig auch Achtsamkeitstraining ist. Diese Meditationsform wird Zazen genannt. Das ist die offizielle Meditation des Zen-Buddhismus. Dabei wird sozusagen in meditativer Form Achtsamkeit praktiziert. Das vereint beide Disziplinen und kann als alleinige Meditationspraxis sogar bis zur Erleuchtung führen.
Ich freue mich, wenn du nächstes Mal wieder einschaltest und wünsche dir bis dahin eine schöne Zeit!